Blockchain im Trade Finance Bereich

22. März 2018by Marc T. PIRA
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Die Blockchain Technologie ist derzeit in aller Munde. Während sich der einen Fraktion die Funktionsweise nach wie vor nicht erschließt, spricht die andere von der revolutionären Zukunftstechnologie schlechthin. In einer Zeit, in der immer noch ein Großteil aller internationalen Liefergeschäfte gegen offene Rechnung erfolgt, wollen wir die Diskussion aufgreifen und die Thematik im Kontext des Außenhandels ein wenig näher beleuchten.

Ohne Basics geht es nicht: Die Blockchain

Alle reden davon und doch sieht man häufig nur fragende Gesichter. Die Blockchain. Ein schillernder Begriff, der gar nicht so leicht zu verstehen ist. Versuchen wir uns diesem also zunächst ein wenig zu nähern. Die Blockchain ist eine dezentrale Datenbankstruktur, mit der einzelne Transaktionen transparent verzeichnet werden sollen.

Die Idee hinter der Blockchain kam auf mit Einführung des Bitcoin. Inzwischen haben sich weitere Kryptowährungen angeschlossen. Ein beliebter Spruch der Bitcoin Anhänger: Be your own bank. Sei deine eigene Bank. Im Vordergrund steht nämlich die Unzufriedenheit einiger Akteure mit dem derzeitigen System. Häufiger Kritikpunkt: Die Kontrolle über Geld liege zentral in den Händen weniger mächtiger Institutionen. Die Fragen, die dabei aufgeworfen wurden waren tiefgründig: Wie soll solch ein System vertrauenswürdig sein? Wer garantiert, dass keine Veränderungen an einzelnen Transaktionen vorgenommen werden können?

Würde man dieses zentrale System wegführen, hin zu einer dezentralen Lösung, so könnte man ein hohes Maß an zusätzlicher Sicherheit, und damit Vertrauen gewinnen. Die Lösung sah man, Sie ahnen es, in der Blockchain. Die Blockchain dokumentiert dabei sämtliche getätigten Transaktionen. Diese sind offen einsehbar. Abgelegt werden diese Informationen nicht mehr zentral, sondern dezentral, verteilt auf unzählige verschiedene Computer, die auch als Nodes bezeichnet werden. Sämtliche Transaktionsdaten werden in Blöcken zusammengefasst („Block“) und anschließend wie in einer Kette miteinander verknüpft (daher der Begriff „Chain“).

Weil jeder Computer im Netzwerk zu jeder Zeit alle Transaktionen sieht und prüft, kann keine Manipulation stattfinden. Gleichzeitig stellt die dezentrale Ablage auch sicher, dass keine zentrale Autorität mehr mit der Verwaltung betraut werden muss und ist daher eine zufriedenstellende Lösung für all jene Kritiker, die mit dem Status Quo nicht zufrieden sind.

Blockchain und die Banken

Eine Zeit lang war es ruhig um die Blockchain, doch mit immer weiter zunehmender Popularität von Bitcoin und Co. wurde das Thema intensiver auch medial aufgegriffen und letztlich zunehmend gehypt. Jeder wollte Teil der „Revolution“ sein, Fintechs sprießen wie Pilze aus der Erde und Banken, die sich vor diesem Hintergrund zunehmend um ihr Kerngeschäft sorgten, wollten und mussten sich anpassen, um im Wettbewerb auch weiterhin bestehen zu können.

Die Meinungen der Global Player, wie viel Potenzial in der Blockchain Technologie letztlich steckt, gingen und gehen weit auseinander. Einig sind sich jedoch die meisten in einem: Unwissenheit sollte nicht der Grund sein, sich selbst „aus dem Spiel“ zu dem nehmen. Und so kam es, wie es kommen musste: Der Sprung auf den Hypetrain erfolgte auch bankseitig. Eigene Lösungen mussten her, sei es im klassischen Retail Banking, der Platzierung von Schuldscheinen, oder im internationalen Trade Finance, worauf wir eben in diesem Artikel etwas näher eingehen wollen.

Die Ausgangslage im Trade Finance

Viele mittelständische Unternehmen liefern noch immer gegen offene Rechnung. Als ob dies alleine nicht schon problematisch genug wäre, ist die Zahl der internationalen Handelsgeschäfte gegen offene Rechnung in den vergangenen Jahren überdies geradezu kometenartig in die Höhe geschossen. Dies ist jedoch unklug, denn nicht nur tragen die Unternehmen damit auch alleine das Ausfallrisiko. Auch in Punkto Finanzierung vergibt man sich viele Möglichkeiten.

Abhilfe schaffen hier vor allem die klassischen Trade Finance Produkte, zu denen etwa das Akkreditiv zu zählen ist, welches neben der reinen Zahlungsabsicherungsfunktion unter anderem auch diskontiert werden kann. Doch grade kleinere und kleine mittelständische Unternehmen, die auch nicht zur Kernzielgruppe der meisten Großbanken im Trade Finance Bereich gehören, partizipieren häufig nicht daran.

Die Möglichkeiten im Außenhandel

Abhilfe soll auch hier wieder einmal die Blockchain schaffen. Um nationale und grenzüberschreitende Handelsfinanzierungen auch eben solchen kleinen und kleineren mittelständischen Unternehmen zu erleichtern, haben sich erst kürzlich sieben europäische Banken zusammengeschlossen und eine gemeinsame Blockchain Plattform entwickelt.

Diese neue Plattform, ursprünglich als Digital Trade Chain, nunmehr als We.Trade bezeichnet, soll alle beteiligten Parteien nahtlos integrieren. Dazu zählen neben den Käufern und Verkäufern, auch die Bank des Käufers sowie des Verkäufers, genauso wie die jeweiligen Transporter.

Grade jenen Unternehmen, die eben keine klassischen Trade Finance Kunden sind, kann die Blockchain Technologie enorm unter die Arme greifen, unter anderem dadurch, dass sich Handelstransaktionen wesentlich schneller und effizienter durchführen lassen, als dies heute noch der Fall ist. Durch die nahtlose Verbindung aller Parteien, lässt sich der Bestellvorgang viel schneller abwickeln. Auch die administrative Dokumentation wird durch die Blockchain samt ihrer Transaktionsdatenbank verringert. Im konkreten Fall müssen z.B. einzelne Dokumente nicht mehr über Mittler ausgetauscht werden. Diese Eigenschaft hat das größte Disruptionspotenzial, da manche Stakeholder oder Funktionen so in Zukunft komplett entfallen könnten. Wurden alle vertraglichen Anforderungen erfüllt, wird eine entsprechende Zahlung ausgelöst. Voll automatisiert, 24/7.

Neben We.Trade werden zudem weitere Systeme entwickelt und erprobt, welches am Ende das Rennen macht, kann heute noch niemand abschätzen. Was überdies noch an Zusatzmöglichkeiten folgen wird, bleibt ebenfalls offen. Fakt ist jedoch, dass sich die Branche im Umbruch befindet und Kunden gut daran tun, sich mit diesen Trends näher zu beschäftigen.

Die Nachteile

Nicht alles was glänzt ist auch Gold. Zugegeben, bei diesem Abschnitt tun wir uns schwer, grade da derzeit noch niemand genau sagen kann, wie die Abwicklungen der Transaktionen über Blockchain in der Praxis genau von statten gehen sollen. In der Theorie kennen wir die Möglichkeiten, wir kennen Gedankenexperimente und Wunschvorstellungen, doch mit Blick auf die genaue Umsetzung ist vieles noch reine Spekulation. Wesentlich wird sein, dass die gesamte Blockchain Abwicklung nur dann überhaupt möglich ist, wenn auch alle Parteien daran teilnehmen. Andernfalls wird man um herkömmliche Methoden nicht herumkommen.

Davon abgesehen noch ein paar Anmerkungen ganz allgemeiner Natur: Unter großer Datenlast funktioniert die Blockchain Technologie noch nicht ausreichend gut. Experten sind sich daher auch einig, dass zum jetzigen Zeitpunkt auch nur Nischenprozesse, nicht jedoch Massendaten entlang der Supply Chain über Blockchain abgewickelt werden können.

Bei der Datenabfrage sieht das ganze ebenfalls nicht rosig aus. Diese funktioniert in der Blockchain deutlich langsamer als bei einer normalen Datenbank, was hauptsächlich im Ver- und Entschlüsselungsprozess begründet liegt. Eine einzige blockchain-basierte Bitcoin-Transaktion beispielsweise benötigt heute schon 10 Minuten. Wie damit im Zuge der Trade Finance Lösungen umgegangen wird, wird sich zeigen. Schneller als das Einreichen von herkömmlichen Dokumenten wird es sicherlich dennoch sein.

 Fazit

Die Branche ist im Umbruch, niemand bezweifelt das. Doch noch immer wissen vielen Akteure nicht, wohin sich der Hype um die Blockchain im Trade Finance entwickeln wird. Viel wird daher experimentiert, und sicherlich wird auch einiges nützliches dabei herauskommen. Von den Lösungen auf dem Anbietermarkt mal abgesehen, bleibt jedoch auch abzuwarten, wie die neuen Produkte überhaupt angenommen werden. Wir denken zurück an den innerhalb des Trade Finance Bereichs ebenso großen Hype um die Einführung von Bank Payment Obligations vor gar nicht mal so langer Zeit. Auch damals sollten Zahlungen automatisiert und elektronisch abgewickelt werden, schneller effizienter, günstiger. Genutzt wird die BPO jedoch auch heute noch eher wenig.

Unser Fazit: Zu viel Stoff für einen einzigen Artikel. Doch wir hoffen, dass wir damit auch ein wenig zum Nachdenken anregen können und eine Diskussion fördern, die nicht nur hypt, sondern sich auch mit der kritischen Seite etwas auseinandersetzt. Denn nur so bekommt man ein wirklich transparentes Bild zur Sachlage.

Marc T. PIRA

Marc ist Gründer und Geschäftsführer der I.R.M. Consult GmbH und dabei mit seiner Spezialisierung auf das Treasury Umfeld selbst als Interim Manager in zahlreichen Projekten aktiv

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