Bereits vor einigen Wochen kündigte das soziale Netzwerk Facebook die Einführung einer neuen Kryptowährung namens Libra an. Analysten sagen Libra dabei das Potenzial voraus, über Nacht zu den Top 3 Kryptowährungen weltweit zu gehören. Während der Bitcoin im Juni 2019 mit einem Betrag von 190 Milliarden Euro kapitalisiert ist, wird Libra den Prognosen zufolge eine voraussichtliche Kapitalisierung von bis zu 250 Milliarden US-Dollar erreichen. Allerdings: Die Entwicklung von Libra soll an den US-Dollar gekoppelt werden.
Was nicht wenige dabei vergessen: Durch eine solche Kopplung unterliegen Käufer immensen Währungsrisiken. Gleichzeitig soll Facebook für den Libra in erheblichem Umfang Staatsanleihen erwerben, um dessen Deckung nachhaltig sicherzustellen.
Staatsanleihen zur Sicherung eines Stable Coins
Libra ist damit ein sogenannter Stable Coin, soll also durch Finanzanlagen gestützt werden. Dies verringert einerseits die Volatilität und soll andererseits das Vertrauen in die Kryptowährung fördern. Dabei plant Facebook mit dem Erwerb von Staatsanleihen und Bankeinlagen stabiler Volkswirtschaften. Facebook könnte sich somit zu einem der größten Gläubiger von Statten entwickeln und einzelne Nationalstaaten von sich abhängig machen. Das eigentliche Ziel von Libra umriss Facebook in einem Whitepaper vom 18. Juni 2019: Das soziale Netzwerk möchte eine Infrastruktur für weltweite, schnelle und kostengünstige Zahlungen bereitstellen. Die neue Kryptowährung soll in der Umsetzung auf der Blockchain fußen, die wiederum auf der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) basiert. Vorteile liegen dabei in einer deutlichen Senkung der Kosten für grenzüberschreitende Transaktionen – insbesondere für Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern ein valides Argument, betragen die Transaktionskosten dort denn auch oft bis zu zehn Prozent des Transaktionsvolumens.
Knapp 1,7 Milliarden Menschen vom Finanzsystem abgeschnitten
Das Whitepaper von Facebook spricht somit eine unmissverständliche Sprache. Knapp ein Drittel der Weltbevölkerung hat keinen Zugang zum Finanzsystem, dies entspricht in etwa 1,7 Milliarden Menschen. Zwei Drittel dieser Zielgruppe sind jedoch im Besitz eines Smartphones mit Internetzugang. Durch die Libra sollen diese Menschen nun per Smartphone kostengünstig und schnell „Bankdienstleistungen“ beanspruchen können. Dabei plant Facebook nicht weniger als eine Revolution des allgemeinen Zahlungsverkehrs: Über Facebook und WhatsApp, einer Tochtergesellschaft von Facebook, sollen hunderte Millionen Menschen schnell und einfach Zahlungen senden und empfangen können.
Ungleiche Machtverteilung: Libra als Gefahr?
Sollte er Plan von Facebook aufgehen, erlangt das soziale Netzwerk damit von heute auf morgen eine nicht zu unterschätzende Marktmacht. Dies wirft die üblichen datenschutzrechtlichen, zentralistischen und regulatorischen Fragen auf. Um hieraus resultierenden Vorbehalten zu begegnen, verweist Facebook auf das gemeinnützige Libra-Konsortium, welches mit der Überwachung der Kryptowährung betraut werden soll. Die sogenannte Libra Assosiation ist dabei mit mehreren prominenten Partnern besetzt. Mitglieder sind unter anderem PayPal, Spotify, Uber, MasterCard und Visa. Der Sitz der Gesellschaft ist in Genf in der Schweiz. Entgegen vielfach anderslautender Berichte ist zumindest Stand heute noch keine entsprechende Organisation in Genf angemeldet worden. Stattdessen wurde am 2. Mai 2019 die Libra Networks S.à r.l. (société à responsabilité limitée – zu Deutsch: GmbH) registriert. Diese befindet sich derzeit zu 100 Prozent im Besitz der in Delaware gemeldeten Facebook Global Holdings II, LLC. Als Unternehmenszweck ist folgendes angegeben: “Erbringung von Dienstleistungen in den Bereichen Finanzen und Technologie sowie Entwicklung und Vertrieb. Produktion von entsprechender Software und Infrastruktur, insbesondere im Zusammenhang mit Investitionstätigkeiten, Zahlungsverarbeitung, Finanzierung, Identitätsmanagement, Datenanalyse, Big Data, Blockchain und andere Technologie.“ Eben dieses Konsortium soll Libra kontrollieren.
Stable Coin: Keine herkömmliche Kryptowährung
Libra ähnelt im Grunde der Kryptowährung Bitcoin, ist aber vielmehr ein Stable Coin. Libra wird nicht wie beim Bitcoin über ein kryptografisches Rechenverfahren geschürft (gemint). Es handelt sich vielmehr um eine Münze, die verkauft wird. Der Wert der Libra ist an internationale Währungen gekoppelt. Verändert sich der Wert einer Währung, verändert sich auch der Wert der Libra. Die Käufer der Libra setzen sich einem permanenten Währungsrisiko aus. Schwankungen in der Kursentwicklung sind jedoch gerade für die eben genannte Zielgruppe in Entwicklungs- und Schwellenländer besonders riskant.
Große Chancen, große Risiken
Libra könnte also durchaus scheitern. Die Meinungen hier gehen weit auseinander, zwischen Theorie und Praxis liegen wie so oft große Unterschiede. Internationale Geldtransaktionen sind hochsensibel. Anbieter wie Visa sind grade deshalb so erfolgreich, weil sie der strengen Aufsicht des Bankensystems unterstehen. Für Kryptowährungen gibt es heute kaum Akzeptanzstellen, schon gar nicht in Entwicklungsländern. Ob Facebook in jedem Staat eine Genehmigung für seine Währung erhält, ist fraglich. Das Problem liegt darin, dass Facebook seine dominante Marktmacht einsetzen würde, um hierüber ein weltweites Zahlungssystem durchzusetzen. Allein die Verbindung zwischen sozialem Netzwerk und Zahlungsdienstleister schürt bei vielen Nutzern zu Recht Misstrauen.
Datenschutz gefährdet
Ob Facebooks Hinweise auf eingesetzte Verschlüsselungstechniken und Anonymisierungen ausreicht, um die Bedenken der Nutzer zu zerstreuen, ist ungewiss. Ein Vergleich: Auch Amazons Alexa sollte angeblich abhörsicher sein. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die schon die Entwickler selbst zur Verbesserung der Sprachqualität Gespräche von Nutzern in Echtzeit anhören.
Fazit: Großes Potential
Einen weltweiten und dauerhaften Erfolg können Währungen wie Libra nur haben, wenn sie stabil sind. Erreicht Facebook dieses Ziel, ist der Erfolg von Libra zumindest nicht ungewiss. Der Zahlungsverkehr, der auf Blockchain basiert, kann ohne das Zwischenschalten von Finanzinstituten erfolgen. Dadurch laufen Transaktionen schneller und günstiger. Libra ist durchaus kein neuer Ansatz, ist aber eine mögliche Antwort auf Apple Pay und die Versuche chinesischer Anbieter, sich am Markt zu positionieren. Ob schnelle, günstige und vor allem sichere Überweisungen für Nutzer in Entwicklungs- und Schwellenländern möglich sein werden, bleibt abzuwarten. Risiken, insbesondere im FX Bereich, sollten jedoch weiterhin kritisch beäugt werden.